Artikel über Thomas-Gruppe aus Gemeindebrief Advent 2023
Zweifel sind erlaubt
Aus dem Kirchengemeinderat Plön heraus ist eine besondere Arbeitsgruppe entstanden: die „Thomas-Gruppe“ – benannt nach dem Ungläubigen Thomas. Sie bildet einen geschützten, vertrauensvollen Raum, in dem wir unsere Glaubensansätze und Zweifel an kirchlichen Aussagen austauschen. Denn unter der Oberfläche und ohne voneinander zu wissen sind solche Zweifel gewachsen. Es erforderte zunächst einigen Mut, sich zu öffnen. Doch dann war es wohltuend und befreiend zu erleben: ich bin nicht allein damit.
Ein solcher Zweifel betrifft z.B. das Glaubensbekenntnis, das etliche schon längst nicht mehr mitsprechen. „Ich glaube an …“ trifft oft nicht mehr zu, denn es fehlt eine echte Vorstellung und ein Verständnis davon, was man denn glauben kann.
Wir haben uns mit dem kleinen Buch des Religionspädagogen Hubertus Halbfas „Der Herr ist nicht im Himmel“ befasst. Darin beschreibt und kritisiert er, dass die Kirchen an der Vorstellung einer „Parallelwelt“ festhalten, aus der heraus unsere physische Welt beeinflusst und gelenkt würde. Die natürlichen Vorgänge auf der Erde werden aber inzwischen recht gut durch die Wissenschaften beschrieben. Biblische Aussagen wurden immer wieder widerlegt. Für Halbfas dagegen sind die alten Erzählungen keine Tatsachenberichte, sondern Bilder, die uns einen Sinn und Deutungsrahmen für unser Handeln in der Welt geben können – etwas, was kausal argumentierende Wissenschaften eben nicht können. Die Figuren der Geschichten sind Bedeutungsträger, vergleichbar wie im Märchen, aber sie sind keine Akteure im realen Weltgeschehen.
Allerdings sind es alte Bilder aus einer völlig anderen Kultur und Gesellschaft. Die Menschen damals mögen sie verstanden haben – heute jedoch ist das schwer. Die alten Bilder geben keine befriedigende Antwort mehr auf die aktuellen Probleme und der Zugang wird oft durch eine alte, formelhaft wirkende Sprache erschwert.
Wir haben uns deshalb auf die Suche begeben nach neuen Denkweisen und einer neue Sprache.
Ständig ist die Rede von „Gott“. Doch was ist damit gemeint? Was ist „Gott“?
In vielen Texten der Bibel oder des kirchlichen Lebens wird Gott als eine Person dargestellt, an die man sich wenden kann, die handelt, Absichten hat, die die Welt und Menschen lenkt. Man muss ihm gehorchen, Gott ist zornig, gütig, gnädig, eifersüchtig usw.. All solche Beschreibungen suggerieren menschliche Eigenschaften. Ohne es direkt auszudrücken, wird Gott als ein quasi menschliches Wesen mit Superkräften vorgestellt. Er erscheint als ein Individuum, das an der Spitze einer Hierarchie steht, ausgestattet mit Superlativen wie „Allmacht, „Allbarmherzigkeit“, „allwissend“ usw..
Wir haben über dieses kirchliche Gottesbild und unser Unbehagen damit gesprochen. Das Unbehagen entzündet sich an ganz unterschiedlichen Stellen. So wird zum Beispiel Gott durch die Ansprache als „Vater“ zum Patriarch in einer patriarchalischen Welt. Oder er wird wie ein absolutistischer Herrscher vorgestellt. Das erscheint uns sehr unbefriedigend.
Es gibt die unbeantwortete Frage, wie das Böse in die Welt kommt. Warum lässt Gott Elend und Ungerechtigkeiten zu, obwohl er doch allliebend und allmächtig ist? Oder das permanent wiederkehrende Erlebnis, dass Bitten an Gott unerfüllt bleiben, auch die ritualisierten Fürbitten des Gottesdienstes.
Wir können Gott nicht sehen. Wir hören nicht, wenn er spricht. Ja, wir wissen noch nicht einmal, ob er denn wirklich spricht. Zu wem? In welcher Sprache? Wir sehen die Welt, aber nicht Taten, die wir zweifelsfrei ihm zuordnen könnten. (Das war früher einfacher: Blitz und Donner waren Äußerungen eines zornigen, strafenden Gottes.) Es gibt kein Erlebnis von Gott. Man muss es einfach glauben.
Oder man darf zweifeln. Wir haben versucht, alternativ ein nicht-personales Gottesbild zu beschreiben. Das ist spannend und erfordert den Mut auszuhalten, wenn Eigenschaften entfallen, die einer Person zugeschrieben werden (z.B. Geschlechtlichkeit oder Allmacht).
Wir sind allerdings noch nicht weit gekommen, denn das ist Neuland. Unsere Überlegungen gehen in die Richtung, dass es etwas gibt, was im Hintergrund alle Dinge durchzieht und sie zu einem großen Ganzen verbindet. Die Dinge sind nicht bloße Teile wie Bausteine, sondern selbst Ganzheiten, die niemals voneinander getrennt sind. Bildlich gesprochen eine große kosmische Musik, an der alle teilhaben und teilgeben.
Natürlich bleiben viele Fragen offen. Andere Fragen dagegen erledigen sich, nämlich solche, die durch ein personales Gottesbild entstehen. Wir werden weiter behutsam daran arbeiten und uns überlegen, welche Konsequenzen das für kirchliches Leben und Aussagen hat.